Eine kleiner Auftrag, einem Asus R512M (X551MA) Notebook neues Leben einzuhauchen, entpuppte sich als Odyssey auf der Suche nach einer "normal funktionierenden" Notebook-Batterie.
Eigentlich ist ein Upgrade eines älteren, aber noch funktionsfähigen Notebooks kein Problem: Notebook geöffnet, SSD reingesteckt, RAM bis auf die Maximalkapazität eingebaut, neuen Akku besorgt und eingebaut, Deckel wieder draufgemacht, Linux per USB gebootet und installiert und beim Auftraggeber Ergebnis stolz präsentiert. Doch noch während der Vorstellung der neuen Fähigkeiten des Notebooks - was nun wirklich merklich schneller läuft als je zuvor - plötzlich ein Black Screen. Alle LEDs aus.
Totenstille. Alle schauen sich irritiert an und ich komme ins Schwitzen. "Äh, vermutlich hatte ich ihn gestern Abend noch zu ausgiebig getestet", stammle ich vor mir hin und beuge mich unauffällig nach dem Netzteil. "Könnte ich mal an die Steckdose...", frage ich errötet, und nach wenigen schnellen Handgriffen boote ich das Notebook hoch.
Linux startet und es leuchtet mir eine halb geladene Akku-Symbolanzeige entgegen. Momentmal - halb geladen? Der Akku war nicht auf 0% heruntergeladen? Das muss ich mir genauer anzeigen, aber nicht vor den Augen des Auftraggebers.
"Ich muss mir das leider nochmal anschauen", sage ich während ich das Notebook zuklappe, um es schnell in die Notebooktasche verschwinden zu lassen.
Zuhause angekommen schaue ich mir die Energie-Statistiken der Batterie per power-statistics
App an. Um es nicht noch ein weiteres Mal abrupt ausgehen zu lassen, hängt es inzwischen am Netzteil und lädt.
Es vergehen etliche Stunden, in denen ich das Notebook auf 100% lade und komplett entlade (ein Video-Stream sorgt für eine konstante Belastung), und wieder lade und entlade und lade, entlade... das dauert Stunden und in der Zeit eröffnet sich mir eine Silhouette einer Berglandschaft, die Bob Ross nicht hätte besser malen können, mit Bergen, Schluchten und Tälern in den Farben blau und rot.
Normalerweise sind Graphen für funktionsfähige Batterien gerade oder leicht gebogene Linien, die das Entlade- und Ladeverhalten widergeben. Die Messpunkte zeichnen einwandfreie Kurven. Eine stabile blaue Kurve zeigt bei gleichbleibender Belastung gleichmäßig nach unten und eine rote gleichmäßig und kontinuierlich nach oben. Auf keinen Fall erwartet man da wohl spontane Einsacker, Lücken in der Messpunktereihe oder gar unnatürliche Sprünge in die entgegengesetzte Richtung.
Beispiel: Wenn ein Stream ein Notebook im Akkumodus fordert, sieht man eine blaue Kurve innerhalb von ca 2 Stunden geradewegs nach unten zeigen. In meinem Fall aber, springen die Messpunkte nicht selten innerhalb von kürzester Zeit von 80% auf 70% und 0%, oder von 67% auf 100%, wo sie dann eine Zeit lang ohne Regung verweilen, und schließlich wieder von 95% auf 0% einbrechen. Und wir sprechen immer noch vom Entlademoment... (siehe blaue Linie)
"Das geht doch nicht mit rechten Dingen zu. Das Akku ist doch kaputt. Oder das BIOS ist veraltet. Oder Linux macht mit mir Scherze. Oder.", zähle ich der Reihe nach auf.
"OK, keine Panik. Gehen wir das mal strukturiert an", denke ich mir. Gesagt, getan.
BIOS Update
Das BIOS Update lässt sich über die Herstellerseite beschaffen und entpackt per USB Stick ins BIOS flashen. Mein Modell hinkt einige Generationen hinterher, also tut ihm das Update sicherlich gut.
Die Batterie ist davon allerdings vollkommen unbeeindruckt.
System-Update
Zwar hatte ich ein aktuelles Linux-ISO bei der Installation verwendet, ein Blick auf die Updates (kernel, etc) schadet dennoch ja aber nicht. Nachdem einige neue Updates Einzug ins System gefunden haben, zeigt sich die Batterie fröhlich... desinteressiert.
Erneuter Akku-Wechsel
Ich habe den Verdacht, dass der Akku defekt ist und baue einen neuen ein. Um auszuschließen, dass die Effekte nicht Herstellerbezogen sind, soll es auch gleich ein anderer Anbieter sein. Hier muss ich betonen, dass Original-Batterien für dieses Modell ungefähr so teuer sind, wie der Restwert des Notebooks.
Ganz nebenbei: Auf der ASUS Website ein Akku als Verbrauchsmaterial bezeichnet. Weil das aber so blöde und unzugänglich unter der Tastatur verbaut ist, und man sich beim Öffnen wohl das Case zerstört, unterstelle ich den Herstellern, die ihre Batterien nicht mit einer Schraube zugänglich machen, boshafte Ignoranz... Ich habe den Eindruck, dass das volles Kalkül ist eher den Kunden dazu zu animieren das ganze Gerät entsorgen zu lassen, als den Akku zu tauschen.
Das Ergebnis ist etwas besser als zuvor, aber dennoch nicht perfekt. Der Absacker von 40% auf 0% ist unzufriedenstellend.
Die Statistken sagen, das der Akku bei einer Ladekapazität von 188% liegt. Das sind 88% zuviel, als das Akku laut Berechnung verträgt.
Schaut man sich nun die Vorhersagefähigkeit über die Entladegenauigkeit an, zeigt diese, dass keine Vorhersage unterhalb von 40% gewährleistet ist.
Auch die Vorhersage, wie lange der Akku Strom liefert, springt scheinbar innerhalb von 30 Minuten in zwei Raten rauf und runter. ich nehme an, dass der Akku bei etwas mehr als 2,5 Stunden Strom liefern kann. Das wäre sogar für die Bedürfnisse des Auftraggebers vollkommen ausreichend.
Power Kalibrierung
Es soll Tools geben, mit denen man die Batterie kalibrieren können soll. Leider habe ich für dieses Notebook, dieses System und diese Batterie keine passenden Tools und Einstellungen gefunden.
Ich erinnere mich aber, dass eine Kalibrierung durch wiederholtes Laden und Entladen angepeilt werden kann. Das habe ich ja bereits probiert. Ein weiteres mal wird sicherlich nicht schaden.
Keine Besserung.
MyASUS
Auch heißt es im Internet, dass die MyASUS App Hinweise auf die Gesundheit der Batterie geben kann. Leider nimmt ASUS wohl an, dass auf ihren Geräten ausschließlich Windows 10+ läuft (wovon ich ja eigentlich weg will. Die Hardwareanforderungen von Windows 11 sind zu hoch für das Modell R512M), sodass mir hier auch ein Blick auf die Analyse verwehrt bleibt. Muss ich also mit power-statistics
weitermachen.
Vergleich mit HP Elitebook 840 G5
Zum Vergleich ein korrekt funktionierender Akku. In der linken Hälfte des Graphen ist keine Belastung gegeben. Der Akku verliert langsam Energie. In der rechten Hälfte spielt der Rechner ein Videostream ab. Ich habe mal bei ca 7% die Handbremse angezogen und das Netzteil angeschlossen. So wünsche ich mir das Entladeverhalten.
Eine schöne, ununterbrochene Gerade mit leichtem Knick (links Entladung, rechts Ladung):
Händler um Hilfe gebeten
Evtl. hat der Händler eine Idee. Nach einer Weile erreichte mich eine handvoll Tipps, wie ich die Analyse verbessern kann.
- Überprüfen Sie den Akkustand über das BIOS. Leider hat das AMI-Bios keinen Hinweis, wie „Battery Health Charging“ oder ähnliche Diagnosen.
- Kalibrierung des Akkus: Mehrere Entlade-/Ladevorgänge durchgeführt, s.o. Kein Erfolg.
- Setzen Sie die Energieverwaltungseinstellungen zurück: Mag sein, dass Windows sowas hat. Das wäre dann die Funktion "Standardeinstellungen wiederherstellen". Unter Linux finde ich das nicht auf Anhieb. Ist aber ein Versuch wert. Denn vielleicht hat auch das Betriebsystem einen Sensorschaden. Evtl. kann ich auch ein Windows-Live-System booten. Wer weiß.
- Testen Sie mit einem anderen Akku: Nun ich kann mir vorstellen, dass ein Händler einen Stapel solcher Batterien im Regal liegen hat, ich habe nur den einen. Nichts zu machen.
Die Bitte der Wiederholung der Analyse kann ich, systembedingt, nur zum Teil nachgehen. Damit einhergehend werde ich gebeten ein Screenshot vom Programm BatteryInfoView (Windows) zu machen... Die ewigen Leiden eines Linux-Anwenders.
Ich werde es in den kommenden Tagen versuchen. Mehr als das geht nicht.
Zwischenfazit
Tja, der erste, sowie der zweite Ersatzakku haben ähnliches Verhalten an den Tag gelegt.
An dieser Stelle fehlt mir eine kreative Idee, wie ich die Batterie dazu bringen kann, die richtigen Werte auszugeben, ohne dass das Notebook glaubt 50% Strom zu haben, wo es eigentlich schon knapp 1% hat. Mir wäre ein korrekter Stromfluss lieber, als die Kapazität. Wenn mein Auftraggeber mit alten Möhre noch einen 90 Minuten Film streamen könnte, wären wir beide happy.
Die Kapazitäteinschätzung von 188% macht mich aber richtig stutzig.
Solange das Notebook mit Akku ein solches seltsames Verhalten an den Tag legt, verbleibt das Notebook in meiner Obhut und ich suche nach einer Lösung.
Kreative Ideen, die nicht gerade meine Wohnung in Flammen aufgehen lassen, sind herzlich willkommen!
Ausbau und Hard Power Off
Nach einigen erneuten, erfolglosen Versuchen den Akku zu Laden, probiere ich noch einen weitern Rat aus.
Dazu lade ich den Akku voll auf und baue ihn aus. In diesem Zustand halte ich den Power-Button für 30 Sekunden lang fest. Danach baue ich den Akku wieder ein und starte wie gewohnt.
Keine Besserung.
Alternative Betriebssysteme
Zwischenzeitlich versuche ich mal doch wieder Windows 10 auf dem Notebook zu nutzen - nur vorrübergehend. Ein Blick auf die Infos, die BatteryInfoView ausspuckt, zeigen dasselbe Bild, wie Gnome-Power-Statistics unter Linux. Erneut ist hier die Rede von 187% Kapazität.
Keine neuen Erkenntnisse.
Auch ein Blick auf Xubuntu 25.04 Live bringt mich keinen Deut weiter.
Also wieder Linux Mint drauf gespielt und weiter im Programm.
Aufladen und Entladen bei 40% Kaptität
Ich wage mal einen besonderen Test: Ich lade den Akku nur soweit, wie die Erkennung 0% Genauigkeit ausweist.
Bei ca 40% ziehe ich also den Netzstecker und in kaum 10 Sekunden sagt mir das System, dass der Akku leer ist (0% !) und das Notebook nun in den Schlafmodus verfällt.
WTF?
Laut Ladeprotokoll, sollten im Akku ja nun 40% Strom drin sein.
Also schnell wieder den Netzstecker dran und ein genauer Bklick auf die Stromentwicklung.
Interessant zu sehen, dass der Akku nun von 0 beginnt zu laden, diesmal aber die Ladung doppelt so steil ist wie noch vor 2 Minuten.
Also warte ich erneut bis 40% erreicht wurden und ziehe den Netzstecker. Erneut fällt der Strom auf 0 und das Notebook möchte herunterfahren. Das wird natürlich unterbunden: Netzstecker dran und... welche Überraschung, erneut eine deutliche Steigung der Ladekurve.
Wenn ich so weitermache, kann ich mit Meswerten belegen, dass ich ein Akku in 1 Minute auf 40% laden kann :D Ha! Oder eher oh no! Denn das zeigt mir, dass der Akku kaputt sein muss. Wenn die Berechnung der Ladekapazität während der Ladung konsistent ist, aber beim Entladen mehrfach wieder auf 0 fällt, dann ist der Akku defekt.
Egal wie oft ich den Akku hintereinaner auf 40% lade, und egal wie schnell der sich wieder auf diesen Wert laden lässt (mit der Zeit immer schneller), fält er unweigerlich auf 0 zurück, wenn er unterhalb von 40% beansprucht wird.
Für mich bedeutet das einen Defekt. Eine andere Erklärung kommt für mich nicht mehr in Frage.
Das Ladeverhalten ist sehr interessant. Damit lassen sich ggf. auch Bilder malen. Ha!
Es stellt sich mir die Frage, wenn der Akku nicht erkennt, ob er halb geladen ist, wie will er denn sicher erkennen, dass er voll ist? In der Elektronik des Akkus ist ein Überladungsschutz eingebaut. Hoffe ich zumindest. Denn ich habe keine Lust heute Nacht eine elektronischen Fackel im Garten zu löschen.
Alternativer Akku
Nach all den Stapazen, bin ich mit meiner Geduld am Ende. Ich muss einsehen, dass der Akku miit meinen Mitteln nicht mehr zu retten ist. Ich habe einen anderen Akku besorgt und siehe da, alles läuft tippi toppi.
Zwar hat der neue Akku bei ca 5% einen plötzlichen Spannungsabfall, aber das ist mir insgesamt allemal lieber, als zuvor bei 45%.
Fazit
Nach all den Erkenntnissen, ist es an der Zeit den Akku an den Händler zurückzugeben. Der neueste Akku läuft ohne Last fast 4 Stunden lang, und während ein Stream läuft, überlebt er gute 2:30 Stunden. Die Reststromanzeige verhält sich wie erwartet. Damit kann man nun arbeiten.
Lessons Learned
- Ich weiß, was ich an meinen bisherigen HP Notebooks habe. ASUS Batteriepolitik ist mir den Aufwand vielleicht irgendwann nicht mehr wert.
- Im Internet gibt es unzählige Anbieter, die verschiedene Modelle für diese Batterie angeben. Laut Specs ist eine Spannung von 11,25 V vorgesehen. Die angeblich kompatiblen Batterien mit 14,4 V oder gar 14,8 V habe ich links liegen gelassen. Ich habe keine Lust mit den Problemen einer Überspannung zu kämpfen. Wieso die Anbeiter dennoch solche Angebote machen, ist mir ein Rätsel.
Links
- https://www.asus.com/de/support/faq/1012793/